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Text File  |  1996-10-14  |  4KB  |  15 lines

  1. Diese Produktion des IKARON-THEATERs ist wie alle vorherigen ├╝ber einen l├ñngeren Zeitraum entstanden. Angesichts der Zunahme von Gewalt und Fremdenfeindlichkeit, die ihrerseits Symptome f├╝r das Aufbrechen vieler Probleme nach der Wende sind, erachtete die Gruppe es f├╝r notwendig, sich mit theatralischen Mitteln mit dem Thema ΓÇ₧GewaltΓÇ£ auseinanderzusetzen. Dabei wollten wir untersuchen, was Gewalt ist, wie sie entsteht und sich auswirkt, wie sich Angst und Gewalt bedingen usw. Und es war unsere Absicht, diese Auseinandersetzung mit Jugendlichen zusammen zu f├╝hren, da diese am meisten gef├ñhrdet waren.
  2. Aus der Arbeit mit Jugendlichen entstand 1993 das Projekt ΓÇ₧Sommer Nacht Traum - Begegenung und SpielΓÇ£.
  3.  
  4. Was zum Teufel geht da eigentlich vor? Shakespeares Antworten geben keine Gewi├ƒheiten - sie stellen Fragen.
  5.                             G. Tabori
  6.  
  7. Nach der ersten Erfahrung mit Shakespeares ΓÇ₧SturmΓÇ£ 1992 entschied sich das IKARON-THEATER bewu├ƒt daf├╝r, die Auseinandersetzung mit Shakespeare als einen Lernproze├ƒ fortzusetzen. Dabei wollten wir uns radikaler auf Shakespeares Fragen einlassen, tiefer in den Stoff eindringen und noch produktiver die eigenen Erfahrungen damit in Beziehung setzen.
  8. Eine Konsequenz der bisherigen Erfahrung war die Fragmentierung, d.h. die Konzentration auf eine bestimmte Ebene des St├╝ckes, die somit gr├╝ndlicher erkundet werden konnte. Beim ΓÇ₧SommernachtstraumΓÇ£ fiel die Wahl auf die Ebene der jungen Liebenden.
  9.  
  10. Dabei interessierten uns die folgenden Fragen: Was ist Liebe? Wie gestalten sich heutige Beziehungen zwischen Mann und Frau? Welche w├╝nschen wir uns? Welchen Einflu├ƒ, welche Bedeutung hat Liebe in unserem heutigen Leben? Welche Abh├ñngigkeit besteht zwischen Lust und Liebe, Macht und Liebe, Geld und Liebe, zwischen Lust, Aggression und Gewalt? Wie ist das Verh├ñltnis von erlebter Liebe und unseren Tr├ñumen von Liebe?
  11.  
  12. Die vier jungen Leute im St├╝ck spielen in einem abgeschlossenen Raum solche Fragen durch. Dabei steht am Anfang ihre Flucht; die ├£berwindung aller Hindernisse, die der Verwirklichung der Liebe entgegenstehen. Dieser Schritt ins Unbekannte beinhaltet eine Utopie: den Wunsch, sich jenseits von Gesetzen und Grenzen zu erkennen und zu verwirklichen. Der Raum, in dem diese Utopie verwirklicht werden soll, ist der Wald. Dieser Ort wird zu einem Ort der Begegnungen, der Selbstaufgabe, Verluste und Tr├ñume. In einem hermetischen Raum kommen im Menschen angelegte M├╢glichkeiten, brutale Triebe und versteckte L├╝ste ans Tageslicht. Die ΓÇ₧Feigenb├ñtter der L├╝geΓÇ£ werden heruntergerissen und damit wird der Bedrohung, die von Shakespeare ausgeht, Rechnung getragen.
  13.  
  14. Auch der Auff├╝hrungsort war bewu├ƒt gew├ñhlt und entsprach unserer besonderen Sicht des St├╝cks. Durch einen Ort wie das Tacheles in der Oranienburger Stra├ƒe (die die Stra├ƒe der k├ñuflichen Liebe ist), bekamen unsere Fragen an das St├╝ck eine weitere Dimension.Das Tacheles ist wie der Wald im St├╝ck ein Ort der Flucht aus der Gesellschaft, der zugleich aber auch Kr├ñfte freisetzt, der die Chance bietet, ungew├╢hnliche Erfahrungen zu machen, sich bis zum Extrem auszuprobieren, auch Fehler zu machen und eigene Tr├ñume zu leben. Mit dieser Arbeit begann erneut eine intensivere Zusammenarbeit zwischen IKARON-THEATER und dem Kunsthaus Tacheles: unsere Gruppe integrierte sich in das Haus, ├╝bernahm verschiedene Arbeitsaufgaben und zog andererseits Mitarbeiter des Tacheles zur eigenen Produktion heran.
  15. Diese Zusammenarbeit erm├╢glichte es, unter gro├ƒen Anstrengungen im Hof des Tacheles eine neue Spielst├ñtte zu schaffen. So entstand ein Spiel-Raum, der die Phantasie und Kreativit├ñt der Mitwirkenden anregte und freisetzte und der auch bei den Zuschauern alle Sinne ansprach.